Cc-de mailing list

[Andreas Hierling <Andreas.Hierling AT seitenbau.net>]

Hallo Liste,

John Wiedenhoeft <wiedenhoeft AT gmx.net> schrieb am 25.01.2006 15:40:02:

> bei der ganzen Diskussion um CC, und ganz besonders die
> Sampleproblematik habe ich manchmal das Gefühl, dass sehr viel nach
> hinten losgeht, und die eigentlich geplante Freiheit mit mehr Unfreiheit
> erkauft wird.
>
Interessante Frage, wie ich meine. Hab mir das selber bereits überlegt und
nach dem runterbrechen auf die grundsätzliche Problematik zwei
Möglichkeiten gesehen: Entweder die Regeln unserer kapitalistischen
Gesellschaft zu akzeptieren und innerhalb dieser Gesellschaft eine
unabhängige Freie Kultur zu fördern, oder sich über sämtliche Regeln hinweg
zu setzen und letzten Endes entweder in einer Revolution den Kapitalismus
zu überwinden oder eben im Knast vor die Hunde zu gehen...


> Jede Benutzung von etwas Vorhandenem hat doch per se bereits
> Informationswert (Duchamp...) und damit eine eigene Schöpfungshöhe (mag
> dies auch juristisch anders sein), denn ein Zitat erfüllt immer einen
> Zweck im Sinne des Neuschöpfers, und verweist auf den ursprünglichen
> Kontext des Benutzten. Die Herstellung dieser Zeichenrelation ist
> bereits ein schöpferischer Akt...

Ich denke wir sind hier alle einer Meinung, nur leider sagt das geltende
Recht etwas anderes...

> Ich halte all dies für ein immanentes Problem der Diskussion innerhalb
> der CC-Community. Anstatt dass, wie es jahrzehntelang geschah,
> wiederverwertet, verarbeitet und rekontextualisiert wurde, fragt sich
> heute jeder Kreative, ob er dies und jenes dürfe. Das hemmt die
> Kreativität, blockiert Neuentwicklungen (auch, siehe Hip Hop, zum
> Schaden der Industrie, die sich mittlerweile mit Star Search Formaten
> über Wasser halten muss, weil die wirklich innovativen nicht bis zur
> Marktreife heranwachsen können), und nimmt jeder Bagatellklausel die
> Grundlage: man kann schwerlich Hunderttausende Kreative für die
> Benutzung von objets trouvees verklagen - heute aber nehmen sie sich,
> mit bangem Blick auf mögliche Rechtsverletzungen, ihre Freiheit selbst,
> und die paar verbliebenen lassen sich trefflich vor Gericht zerren, weil
> sich ihr Handeln als Handeln einer kriminellen Minderheit darstellen
> lässt - einer Minderheit, die von den Gerichten durchaus zu bewältigen
> ist.

Ziel ist es ja nun einen Pool zu schaffen, aus dem jeder Kreative frei
schöpfen kann, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten (Dies jedenfalls
ist mein Motiv zur Förderung von CC). In dieser Hinsicht sollte man sich
meiner Meinung lediglich Gedanken über die ND-Lizenzen machen, welche ich
zur Förderung einer "freien" Kultur als gänzlich ungeeignet, ja sogar
kontra-produktiv erachte und die IMHO abgeschafft werden sollten.

> Vielleicht müssen wird uns ernsthaft fragen, ob wir nicht der Industrie
> und den Verwertungsgesellschaften in die Hände spielen. Wie seht ihr
> das?
>
Die Schöpfung freier Lizenzen stellt zwar, wie Du wohl auch meinst, eine
Form der Kapitulation dar, wie aber auch in dieser Diskussion bereits
erwähnt, sollen sie helfen, die Problematik in das Öffentliche Bewusstsein
zu bringen.

Statt einem offenen Kampf mit Protestaktionen und juristischem Geplänkel
bieten sie eine Möglichkeit unsere Toleranz gegenüber anders Denkenden zu
beweisen und dennoch die Vorteile eines freien Umgangs mit Kunst und Kultur
zu demonstrieren.


Viele Grüße,


Andreas